Nachtrag

Mein Zusammenbruch liegt nun 3 1/2 Jahre zurück. Ein Jahr hat es gebraucht, um überhaupt mit der Lage zurecht zu kommen und noch einmal 2 Jahre bis die Unbeschwertheit zu großen Teilen zurück gekehrt war. Bis dahin war es kein einfacher Weg. „Drei Schritte vor und zwei zurück“ fasst den Genesungsprozess recht gut zusammen.

Im Nachgang betrachtet waren es neben dem Sport vor allem drei Erkenntnisse, die mir zurück ins gesunde Leben geholfen haben.

Ein wichtiger Hinweis kam von meinem Therapeuten-Guru bei der Reha: Ich müsse zwingend akzeptieren, dass das jetzt mein Leben ist und ich nicht mehr wie vorher werde.
Ich hatte ein Jahr versucht, meine körperlichen Gebrechen loszuwerden und mich wieder wie früher zu fühlen. Da psychosomatische Gebrechen jedoch durch innere Ruhe und Zufriedenheit heilen, wirkt die Konzentration auf die Gebrechen der Heilung eher entgegen. Sie triggert die Angst und hält das Nervenkostüm im Dauerstress. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, muss man es zunächst verstehen und akzeptieren. Erst dann beginnt der Heilungsprozess, den man nicht in Monaten sondern Jahren misst.

Die zweite wichtige Weisheit: Angst kann man nur überwinden, in dem man sich den Situationen aussetzt und die Angst aushält, bis sie nachlässt. Vermeidungsstrategien hingegen verstetigen die Ängste.
Das klingt für Außenstehende ziemlich banal. Wer aber schon einmal eine echte Panikattacke hatte oder von irrationalen Ängsten geplagt wurde, kann nachvollziehen, wieviel Kraft und Überwindung das kostet. Es ist aber nach allem was ich gelesen, selbst erlebt oder von anderen Betroffenen erfahren habe, der einzige Weg.

Und die dritte wichtige Erkenntnis war für mich, dass meine Gedanken tatsächlich direkt auf mein körperliches und mentales Wohlbefinden wirken.
Ich habe anfangs ständig versucht herauszufinden, durch welchen äußeren Umstand ich mich heute schlechter fühle als gestern. Ich hatte dabei stets bestimmte Nahrungsmittel, Infekte, unerkannte Krankheiten oder der gleichen im Auge. Es hat lange gedauert bis ich bemerkt habe, dass es immer genau diese Gedanken und der Fokus auf das Gebrechen waren, die es haben schlimmer werden lassen. Sobald ich einen Plan im Kopf hatte, was ich dagegen unternehme (Heilpraktiker aufsuchen, Globuli einnehmen, ärztliche Untersuchung o.ä.), ging es mir sofort besser. Wegen meiner Vorurteile zum Thema Psyche und der wenig hilfreichen Therapiegespräche vor meiner Kur, habe ich mich lange davor gedrückt, mich ernsthaft damit zu beschäftigen. Ich war erstaunt wie viele Studien zweifelsfrei belegen, welchen hohen Einfluss die Gedanken auf das menschliche Empfinden, Heilungsprozesse und Krankheitsabläufe haben. Ich begann meine eigenen Gedanken zu analysieren. Es war erschreckend wieviel Zeit ich darauf verwendetet, in Endlosschleife über meine Gebrechen, mögliche Ursachen und meine missliche Lage nachzudenken. Wenn ich versuchte dieses Gedanken-Karussell zu durchbrechen, gelang das Anfangs nur mit Ablenkung, wie Fernsehen, Lesen, Sport oder Gesellschaft. Später probierte ich verschiedene Meditationstechniken, um mentale Ruhe auch ohne Hilfsmittel zu erreichen. Mittlerweile gelingt mir das mit der Konzentration auf ein Mantra ganz gut.

Noch immer schwer angeschlagen, aber mit diesem Rüstzeug an der Hand, hatte ich nach einem Jahre meinen Job wieder aufgenommen. Mein Chef hatte mir während der Krankheit immer wieder signalisiert, dass er mich auf jeden Fall in seinem Bereich zurück haben möchte und mir beim Job entgegenkommen wird. Und so bat ich um eine Teilzeitstelle ohne Personalverantwortung und eine sechswöchige Wiedereingliederung. Ich wurde Mitarbeiter in der Abteilung, die ich über Jahre selbst aufgebaut hatte. Am ersten Tag war es schon eine echte Leistung bis an den Arbeitsplatz zu gelangen, die Kollegen zu begrüßen und den Rechner zu starten. Das Schriftbild flimmerte und meine Hände zitterten. Die ersten Meetings waren die Hölle. Mir ging es so schlecht, dass ich ohne die Erkenntnisse sicher wieder aufgegeben hätte. Mein Chef achtete akribisch auf die Einhaltung meiner Arbeitszeiten. Ich bekam nur Themen, die mich nicht unter Druck setzten. Auf der einen Seite war mir das peinlich und meinen Kollegen gegenüber nicht fair, aber auf der anderen Seite hätte ich es anders nicht geschafft. Die Konzentration auf konkrete Aufgaben brachte Ordnung in meinem Hirn und ich fühlte langsam wieder Freude bei meiner Arbeit. In Minischritten wurde ich ruhiger und meine Leistungsfähigkeit und mein Selbstbewusstsein kehrten zurück.

Bei aller positiver Entwicklung ist der Schaden noch immer zu spüren. Längere Stressphasen führen unmittelbar zu körperlichen Beschwerden. Druck und negative Auseinandersetzungen schlagen schneller auf mein Nervenkostüm durch als früher. In der dunklen Jahreszeit habe ich an manchen Tagen schwerer zu kämpfen. In solchen Situationen hilft das Gelernte und die Gewissheit, dass es vorübergehen wird.

Ich habe noch immer die Hoffnung, dass ich wieder vollständig zu alter Kraft finde, aber ich möchte keineswegs wie vorher werden. Insofern sehe ich die verblieben Schäden als mein eingebautes Warnsystem, das mich davor bewahrt, mich und mein Wohlbefinden noch einmal derart außer Acht zu lassen.

Indianerweisheit vom schwarzen und vom weißen Wolf

In jedem Menschenherz lebt ein weißer und ein schwarzer Wolf. Der weiße Wolf verkörpert alles was gut, der Schwarze, alles was schlecht in uns ist. Der weiße Wolf lebt von Gerechtigkeit und Frieden, der Schwarze von Wut, Angst und Hass. Zwischen beiden Wölfen findet ein ewiger Kampf statt.

Und welcher Wolf gewinnt?: Der, den du fütterst.

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